Der Prolog – Auswertung
Updated: Feb 20

Der Lauf
Wir haben Tunesien durchlaufen, von Nord nach Süd zusätzlich die Wüste, den Schott und einige Oasen. Für den Lauf haben wir 27 Tage benötigt. Unser Aufenthalt hier war aber etwas länger.
Am Beginn stand eine Virusinfektion, die uns daran hinderte bereits eine Woche früher los zu laufen. Wir haben zwar am Ende der Woche leicht trainieren können, aber an lange Einheiten war nicht zu denken.
Auch als wir endlich starten konnten, mussten wir unsere Etappen kürzer halten als geplant. Gegen Ende des Prologs hat sich dann eine 30 Kilometer Einheit pro Tag als praktikabel erwiesen.
Diese Etappen sind zwar, je nach Tagesform, auch anstrengend, haben aber für die Form des nächsten Tages keine negativen Auswirkungen. Weder die Beine, noch das Herz-Kreislauf System werden dadurch zu sehr belastet. Dennoch ist das laufen müssen, vor allem zu Beginn, wenn das Ende nicht absehbar ist, schwierig für die Psyche. Bei mir kam auch noch ein anderes Problem hinzu.
Meine sehr unterschiedlichen Pulswerte bei ähnlichen Läufen sind entweder auf eine fehlerhafte Technik zurück zu führen, oder sind der Ermüdung geschuldet. Dagegen spricht, dass an den beiden letzten Tagen, als die kumulierte Anstrengung am höchsten war, meine mittlere Herzfrequenz mit etwa 115 bpm am niedrigsten lag. Vielleicht habe ich die Differenzen (zwischen 110 und 155 im Schnitt) aber bereits immer, sie sind aber wegen fehlender technischer Mittel nicht aufgefallen. Zumindest fühle ich mich nicht anders, und kann selbst bei aufgezeichneten Höchstwerten um die 180bpm mich noch ruhig unterhalten. Ein Phänomen, dass ich noch beobachten muss.
Die Logistik des Unternehmens, und die Umsetzung unserer Kommunikationsideen nehmen einen weit größeren Raum ein als gedacht, und wir sind für manche Aufgaben, von denen wir meinten man könne sie leicht nebenher erledigen, schlicht zu müde oder platt. Es passt halt nicht immer noch ein Taschentuch in einen Koffer. Wenn er voll ist geht nichts mehr. (Für Mathematiker n+1).
Die Logistik
Wir führen unsere Kleidung, Medikamente, Decken, Nahrung und Ergänzungsstoffe, Getränke, Technik und Kommunikation im Bus mit. Wenn wir abends Station machen, müssen wir einen Teil ausräumen und am nächsten Tag wieder packen. Dazu gehört die Kühlung unserer Kühlelemente und die Wäsche. Wir benötigen, zumindest gelegentlich Unterkünfte mit Tiefkühlgeräten und Waschmaschine. Wir sind deswegen bereits dazu übergegangen, Übernachtungen für zwei Tage zu buchen, und uns zum nächsten Start zurück oder vor zu fahren. Dies hilft auch mental. Eine tägliche Veränderung bringt mehr Stress mit sich.
Dazu kommt der Lebensmitteleinkauf, das Kochen, oder die Suche nach einem Restaurant.
Beim Essen können wir uns dann besprechen, und unsere Informationen über Facebook oder Instagram teilen. Gelegentlich sind wir Gäste von Menschen, die uns auf dem Weg begegnet sind und sprechen dann über ihre Aktivitäten, Wünsche und Zukunftsgedanken. Im Idealfall entsteht dadurch ein Beitrag auf unserer Webseite, der von ihnen selber verfasst wurde.
Danach fasst Mareike noch einmal für sich ihre Tageseindrücke kurz zusammen, um sie später als Grundlage für eine Publikation zu nutzen. Ich persönlich hoffe, dass mir die kleinen Informationen auf Facebook genügen, um mir später die Bilder wieder ins Gedächtnis zu rufen.
Morgens wiegen wir uns als erste Tätigkeit (Gewicht, Fettanteil, Muskelanteil, Wasserhaushalt). Die ermittelten Daten, und die Daten unserer Tour wie Distanz, Höhenunterschied, Geschwindigkeit, Puls, Schlafzeit, Stress und weitere Faktoren können dann von dem Team der Universität Paris online eingesehen werden.
Mit diesem Team treffen wir uns einmal pro Woche per Video, um Beobachtungen und Eindrücke auszutauschen, die über die reine Datenlage hinaus gehen. Der gesamte Lauf, und seinen Einfluss auf den Körper soll später wissenschaftlich ausgewertet werden.
Wir sind sicher, dass ein Teil der Logistik von Teams vor Ort geleistet werden kann. Wer uns also begleiten möchte ist herzlich eingeladen. Wir haben noch einige Zeiten offen.
Die Kommunikation
Kommunikation ist das Herzstück unseres Unternehmens. Das Verständnis für Menschen und Kulturen. Der Lauf ist nicht Selbstzweck, auch wenn die Wichtigkeit des Sports als Teil unseres aktiven Lebens ein wichtiges Element unserer Botschaft ist. Das Laufen, und der direkte Kontakt, helfen uns unser Umfeld besser und intensiver kennen zu lernen.
Dabei wollen wir nicht nur über unsere Begegnungen sprechen, was wir über die sozialen Kanäle Facebook und Instagram, aber auch über unsere Blogs und Fotos auf unserer Webseite tun, sondern versuchen unsere Kontakte direkt und ungefiltert sprechen zu lassen. Die entsprechenden Artikel findet Ihr im Blog unter "Voices and People" auf www.cap-to-kap.com.
Natürlich sind unsere Fragestellungen bereits Filter, sie sind aber offen für vielerlei Interpretationen.
Uns interessieren die Lebensformen, Wünsche und Vorstellungen unserer Begegnungen.
Neben unseren eigenen Kanälen informieren wir auch die Medien über den Fortgang unserer Unternehmung. Diese Informationen sollen nicht nur über deutsche Medienpartner gehen, sondern möglichst international gestreut werden.
Das ist sowohl inhaltlich als auch zeitlich eine Mammutaufgabe. Daher versuchen wir mit Teams und Personen zusammen zu arbeiten, die unser Interesse teilen und einen Teil der Aufgaben in ihrem Land übernehmen.
Je mehr über die Treffen berichtet wird, je mehr hilft es dem gegenseitigen Verständnis.
Dabei ist uns nach dem Prolog klar geworden, dass es nicht nur interessant ist, die intellektuelle und künstlerische Elite zu Wort kommen zu lassen, sondern die Bevölkerung in einem umfangreicheren Sinn.
Die persönlichen Berichte ergeben dann einen Teppich der verschiedenen Gedanken und Lebensentwürfe. Wie dieser Teppich dann aussehen wird ist Ergebnis unserer Tour, und nicht vorhersehbar. Dieser offene Ansatz verhindert die Verstetigung des eigenen Bildes.
In den Wochen unseres Prologs haben wir feststellen müssen, dass wir die Frequenz der eigenen Beschreibungen nicht halten können. Unsere eigenen Blogs erscheinen dadurch nicht regelmäßig, und schon gar nicht in der Häufigkeit, wie dies vor Anfang der Reise geplant war.
Kunst und Kultur
Während unseres Aufenthaltes in Tunesien konnten wir einige Ausstellungen, sowohl im öffentlichen Raum, als auch in Galerien und Museen anschauen. Außerdem wird man in Hotels und auf Straßen, Plätzen und Verkehrskreiseln ständig mit Kunst konfrontiert. In Djerba haben wir auch Mitglieder der Einkaufskommission des Staates getroffen, die pro Jahr für 1,8 Mio Dinar Kunstwerke zeitgenössischer Künstler aufkauft, und dafür fast alle Regionen des Landes bereist.
Die gesamten Eindrücke zu vermitteln ist natürlich nicht möglich und die Wiedergabe von Kunst in den Medien zweifelhaft.
Aufgefallen ist uns das Interesse an der öffentlichen Fotoausstellung in der Innenstadt von Tunis, mit teils beeindruckenden Fotos als Antwort auf sehr konkrete Fragen wie: Wie stellen wir uns in dieser Welt vor? Was sind die Möglichkeiten und Grenzen der Welt, die wir gebaut haben, und in der wir leben? Sind unsere Körper Kraftorte? Die individuellen Antworten waren teilweise sehr prägnant.
Eine Ausstellung in der Galerie Mille Feuilles von Werken der Künstlerin Faten Rouissi trug den Titel „Correspondances du Temps Present“ mit großformatigen Bildern und Installationen in La Marsa beschäftigte sich mit unserem Zentralthema Kommunikation. Großflächige Farbgebungen gaben dem Werk eine Idee von Weite.
In der Ausstellungshalle B7L9 waren in der ersten Etage unter dem Titel „Fantasmes“ die Werke von Myriam Boulos zu sehen. In normalen Schlafzimmern zeigte sie die, teils freizügigen, Fotos von jungen Frauen aus verschiedenen Regionen, die in begleitenden Texten ihre sexuellen Fantasien erzählten, in einer Tiefe und Offenheit, die uns Betrachter sofort einnahm. Hut ab vor solcher Courage und die Einblicke in die weibliche Vorstellung.
In derselben Ausstellungshalle fanden sich im Erdgeschoss Installationen in kleinen Hütten, von Sand umgeben, die jeweils bestimmte Orte zu verschiedenen Zeiten zeigte, oder Orten eine besondere Bedeutung gab.
Im dazugehörigen Kinosaal lief in der Zeit eine Totalaufnahme eines Strandes. Wir saßen im Sand als teilnehmende Beobachter.
Die grundsätzlichen Überlegungen, dass Kunst keine Grenzen kennt, auch wenn immer wieder regionale Einflüsse in ihr aufgenommen werden, hat sich verstärkt.
Eindrücke
Ich habe in Tunesien nicht viel Neues erwartet, wurde aber eines Besseren belehrt. Die unklare und schwierige politische Lage in der Republik, der einzigen funktionierender Demokratie in der arabischen Region, war im Verhältnis selten Thema in unseren Gesprächen. Dies war eher bei externen Beobachtern der Fall.
Die meisten Begegnungen beschäftigten sich mit der wirtschaftlichen Lage, meist nicht mal mit der eigenen, und mit den Plänen in naher und mittlerer Zukunft. Der Enthusiasmus der Jugend war dabei frappierend, vor allem der studierenden Jugend. Die Offenheit und Herzlichkeit, mit der wir empfangen wurden, und die Bereitschafft offen über sich Auskunft zu geben, auch über Detailfragen des Lebens, war umwerfend. Vielleicht hat uns dabei unsere Bewegungsform geholfen.
Die Bereitschaft, uns selbst nachts bei einem kleinen Zahnproblem zu helfen, wäre im umgekehrten Fall schwer vorstellbar.
Als wir einen Gesprächspartner fragten, ob er uns alleine oder mit seinem Schwimmteam in Deutschland besuchen wolle kam als Antwort: „Gerne, wenn bei Euch kein Krieg herrscht.“ Eine Kriegswahrscheinlichkeit für Deutschland wird hier eher gesehen als bei uns. Ich zumindest war ziemlich perplex über die Antwort.
Im Übrigen denkt man, dass in diesem Winter viele Besucher aus Europa kommen, da man bei uns nicht heizen kann. Es ist erstaunlich, welche Informationen in der Region, wie aufgenommen werden, wenn die Medien filtern und Generalisten denken. Obwohl niemand den Wunsch äußerte, dringend nach Europa zu wollen, hatten viele bereits intensiven Kontakt oder waren bereits dort; entweder weil sie dort studiert hatten, oder ein Teil der Familie dort wohnt.
Wenn man abends als Gast mit ihnen am Tisch sitzt, ist Europa aber weit, und das Feld und die Familie sehr nah. Dann riecht die Luft nach Freiheit und die Sterne bescheinen das private Glück des Moments.
Welche Ergebnisse fließen in unsere Planung ein?
Wir können unser Laufvermögen besser einordnen. Auch wenn wir den Einfluss der Krankheit abziehen, werden wir in Zukunft nicht mehr als 200 Km die Woche laufen können. Das bedeutet etwa 800 bis 900 Km im Monat.
Damit wird unsere erste angenommene Planung hinfällig. Wir werden die Durchquerung also in Etappen laufen. Entweder in zwei oder drei Abschnitten. Dies erstens wegen der körperlichen Anstrengung und zweitens wegen unserer weiteren Beschäftigungen, um die wir uns auch kümmern müssen. Unser tägliches Brot und die finanziellen Möglichkeiten diese Kulturreportage leisten zu können verlangen danach.
Wir werden die Schwerpunkte anders legen müssen, und sind, wenn wir unsere Planung beibehalten wollen, auf externe Hilfe angewiesen. Diese Hilfe sollte aus Supportteams bestehen, die bestimmte Aufgaben übernehmen können, als da sind: Logistik vor Ort und Medien und Kommunikationssupport in den einzelnen Ländern. Wer uns helfen möchte meldet sich bitte bei uns.
Funktional werden wir auch einiges ändern. Der Begleitbus wird anders ausgestattet, und vieles, von dem wir dachten es sei wichtig, wird zu Hause bleiben.
Grundsätzlich bleibt:
Wir wollen dieses Projekt weiterführen und beenden. Das war in der Anfangsphase nicht immer sicher.
Wir werden leiden und zweifeln und uns immer wieder an unseren Begegnungen und der Unterstützung von zu Hause aufrichten.
Per Aspera ad Astra.