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Writer's pictureMareike Röwekamp

Losfahren #1

Ich ziehe unter den Wolken vorbei. Über mir steht der blaue Himmel, in ihm einige quellweiße Wolkengebilde, halb durchsichtig. Unter all dem gleite ich. Am Rücken spüre ich das harte Brett der Holzbänke, die an der Heckseite des Schiffes aneinander stehen. Auf einer liege ich. Der Wind ist laut, er drängt sich von allen Seiten auf. Mit ihm sind es die Motoren, die ein gleichmäßiges Rauschen von sich geben, während die Sonne mal stärker, mal weniger stark den Teil meiner Haut erwärmt, der nicht unter Kapuzen bedeckt ist. Alles gleitet, und gleichzeitig steht alles still, verhaftet im Augenblick von Stillstand in Bewegung.



In welchem Augenblick wird eine Idee zur materialierten Realität? Wir sind auf dem Schiff von Genua nach Tunis. Körperlich anwesend auf dem Deck der „Splendid“, auf das die mediterane Abendsonne scheint. Ist dies der Beginn? Kommt er noch? Oder ist er bereits gewesen?


Viel Vorbereitung liegt hinter uns, und doch fühlt es sich so an, als seien wir eigentlich noch gar nicht gestartet. Noch sind wir keinen Meter gelaufen, so, wie wir es vorhaben: vom nördlichsten zum südlichen Punkt Afrikas. Stattdessen liegen wir erschöpft auf dem Deck, nachdem wir die letzte Nacht über die Schweizer Grenze von Frankfurt nach Italien gefahren sind. Bereits jetzt verschwimmen Orte und Zeit.





Medizinische Untersuchungen, die Abschiedsbesuche bei lieben Freunden, die herzlichen Umarmungen der Familie. Das Packen der Koffer, der Umbau des Busses, das Herrichten der Wohnung. Das Anbahnen oder Pflegen von Kooperarationen, das Planen von Reportagen, Treffen mit verschiedenen Zeitungsvertretern, der Fototermin für die Publikation, die da folgen soll. Das Erstellen der Administrationsstruktur, dem Speichern der Bildern, ein Konto. Dazwischen alle Banalitäten wie Essen, Schlafen. Von letzterem weniger, von ersterem mehr. Und noch sind wir keinen Meter gelaufen. Wann wird ein Projekt Realität?



Es sind nur einige Monate her, als unsere Idee, Afrika laufend zu durchqueren, nur ein Gespräch war. Ein Gespräch zwischen zwei Personen. Eine vage und dennoch konkrete Vorstellung von einer intensiven gemeinsamen Etappe Leben. Mehrere Gespräche und hundert Trainingskilometer später fühle ich mich nicht unbedingt besser vorbereitet, aber vermutlich gleichermaßen zuversichtlich, wenn auch aus anderen Gründen.



Langsam fällt ein wenig der Anspannung ab. Ich sehne mir den Punkt herbei, an dem es ruhig wird, und gleichzeitig weiß ich, dass ich nervös werde, wenn er eintritt. Das monotone Brummen der großen Schiffsmotoren tut seinen Dienst, vielleicht ist es auch die Weite des Meeres. Ich denke an Aufbruch, und daran, ob ich möglicherweise irgendwann nochmal auf diese Fähre sein werde, in einigen Jahrzehnten, und wie ich dann diesen Moment bewerten würde? Ich weiß es nicht. Nur, dass ich jetzt hier bin. Und dass ich schreiben möchte. Und laufen.



Laufen. Und Schreiben. Und laufen. Nachdenken. Sonst nichts. Das klingt gerade gut..


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